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Case Management in Konfliktsituationen

In der heutigen Zeit werden verschiedenste Prozesse und Formen von Begleitung erkrankter Mitarbeitender als «Case Management» bezeichnet. Je nach Kontext des jeweiligen Falles, dem Auftrag und der aktuellen Phase, haben Case Manager unterschiedliche Rollen inne und müssen auch in der Lage sein, diese situationsangepasst innerhalb der Begleitung zu wechseln.

In der Fachliteratur werden im Case Management verschiedene Rollen beschrieben:

  • „implementer“ (Stellvertreter für die Angelegenheiten des Klienten)
  • „guide“ (Hilfsangebote optimal nutzen)
  • „supporter“ (Coach zur Stärkung der Selbstwirksamkeit)

Nicht selten erleben wir in der Praxis, dass der Case Manager auch die Rolle des «Vermittlers» einnehmen muss. Konfliktsituationen am Arbeitsplatz sind sehr häufig und können mitunter die Ursache für krankheitsbedingte Absenzen sein.

Ein Rollenwechsel innerhalb einer Fallbegleitung erfordert ein hohes Selbstreflexionsvermögen des Case Managers damit er/sie sich stets darüber bewusst ist, in welcher Rolle er/sie welche Handlungen ausführen kann und darf. Je nach Rolle bestehen unterschiedliche (meist unausgesprochene) Erwartungen von Seiten des Kunden und/oder Klienten und es müssen auch unterschiedliche Grenzen eingehalten werden.

Wie ein solcher Rollenwechsel aussehen und zum Gelingen eines Falles beitragen kann, soll folgendes Fallbeispiel aufzeigen:

Fallbeispiel

Frau Silvia Meier (Name fiktiv) arbeitet seit gut einem Jahr als Spezialistin mit guter Ausbildung (Hochschulniveau) bei ihrem Arbeitgeber. Nach der bestandenen Probezeit mit guter Rückmeldung erhält die Klientin - für sie völlig unerwartet - eine ungenügende Mitarbeiterqualifikation. Kritisiert wird dabei vor allem ihr Verhalten gegenüber der Vorgesetzten. Die Klientin erhält die Auflage, verschiedene Punkte ihres Verhaltens innerhalb einer gewissen Frist zu verbessern. Bei nicht Erreichen dieses Ziels droht die Kündigung.

Die Kritik der Vorgesetzten trifft Frau Meier in ihrer Wahrnehmung völlig unvorbereitet. Sie ist zutiefst verletzt und fühlt sich traumatisiert. Nach einer ersten Phase, in der die Klientin noch weiterarbeitet, fällt sie nach kurzer Zeit in eine Erschöpfungsdepression und somit krankheitshalber aus. Hinzukommen weitere körperliche Erkrankungen, welche den Verlauf der Genesung stark verzögern.

Die bereits vorbestehende Konfliktsituation verstärkt sich. Die Klientin auf ihrer Seite ist gesundheitlich stark angeschlagen und nicht mehr in der Lage, sich der Problematik zu stellen, respektive mit der Vorgesetzten Kontakt aufzunehmen. Diese wiederum ist in ihrer Situation hilflos, da es für sie keine Möglichkeit gibt, mit der Klientin in Kontakt zu treten.

Zu diesem Zeitpunkt ruft der Arbeitgeber die Case Managerin auf den Plan, primär aufgrund der krankheitsbedingten Absenz. Es ist jedoch rasch klar, dass es in erster Linie zu Beginn des Prozesses eine Annäherung der beiden Parteien in dieser verfahrenen Konfliktsituation braucht – also ein Konfliktmanagement – bevor weitere Schritte geplant werden können.

In einer ersten Phase holt die Case Managerin die einzelnen Positionen (Klientin und Arbeitgeber) in Einzelgesprächen ab und klärt die jeweilige Haltung und die Bedürfnisse. Zudem investiert die Case Managerin viel Zeit in die Beziehungsarbeit zwischen ihr und der Klientin, damit Vertrauen aufgebaut werden kann.

Es zeigte sich rasch, dass der Konflikt bereits Stufen der zweiten Ebene (nach Glasl1) erreicht hat und eine „win-lose“- Situation mit drohendem Gesichtsverlust entstanden ist. Es geht nun darum, die Parteien dahin zu bewegen, dass wieder ein direkter Austausch stattfinden kann und eine „win-win“-Lösung gefunden werden kann. Erst dann werden beide Parteien wieder handlungsfähig. Letzteres zeigt sich vor allem für die Klientin als dringend notwendig. Das „Im-Konflikt-Verharren“ führt bei ihr zu weiterer psychischer Belastung und hindert den Genesungsprozess. Die Case Managerin begleitet in der Folge den Prozess sehr engmaschig «als Vermittlerin» mit ausführlichen Gesprächen sowohl mit der Klientin, der behandelnden Ärztin und dem Arbeitgeber zu möglichen Lösungsansätzen.

Es kristallisiert sich heraus, dass aufgrund der Vorgeschichte eine Rückkehr an den angestammten Arbeitsplatz für beide Parteien nicht mehr in Frage kommt. Eine baldige einvernehmliche Trennung erscheint beiden Parteien als bestmögliche Lösung, damit der Schaden so klein wie möglich gehalten werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt dauert der Prozess seit Einbezug der Case Managerin sechs Wochen. Nach zwei weiteren Sitzungen liegen dann konkrete Lösungsangebote (Lohnfortzahlung, Auflösungsdatum, Kommunikation usw.) von beiden Seiten vor, die eine einvernehmliche Trennung möglich machen.

Für die folgende Phase (Umsetzen der einzelnen Schritte) kann die Case Managerin nun wieder die Rolle eines «Coaches» an der Seite der Klientin einnehmen. Das weiterführende Coaching findet in Einzelsitzungen zu den Themen ‘wie finde ich für mich einen würdigen Abschluss’, ‘Umgang mit der Situation’ sowie ‘beruflicher Ausblick’ statt. Die Klientin ist froh, Unterstützung durch die Case Managerin («supporter») bei rein praktischen Schritten zu erhalten, wie bspw. dem Planen der Verabschiedung. Sie kann sich nun vermehrt auf ihre Genesung konzentrieren und die verbleibende Zeit zur Stärkung nutzen.

1 Friedrich Glasl; Ebenenmodell mit neun Stufen.

1 Friedrich Glasl; Ebenenmodell mit neun Stufen.

Reflexion

Ein grosser Vorteil der AEH als externer Anbieter von Case Management Dienstleistungen ist die Unparteilichkeit der Case Management Experten. Gerade in betrieblichen Konfliktsituation ist es hilfreich, von aussen als externer, neutraler Partner beider Parteien ins Spiel zu kommen.

Konkret bietet die Case Managerin Unterstützung durch Formulierung und Wiedergeben des Gehörten, das heisst der Bedürfnisse und Befürchtungen der einzelnen Parteien und ist «Überbringerin der jeweiligen Botschaften». Mit dieser Strategie gelang es, das jeweilige Verständnis des Gegenübers zu stärken und die Fronten aufzuweichen.

"Ein zentrales Anliegen jeder Mediation ist es, die Konfliktparteien wieder in ein Gespräch zu bringen. Der neu beginnende kommunikative Ablauf ist so zu steuern, dass die Konfliktparteien

    • Sache und Person voneinander trennen
    • Individuelle Wahrnehmungsphänomene als Konfliktfaktoren anerkennen
    • Unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen des oder der Konfliktpartnerinnen anerkennen
    • Für sich Entscheidungsverzerrungen aufdecken"

(aus Wikipedia)

Auch wenn die Prozessbegleitung im Fallbeispiel letztlich in einer Trennung der Klientin und ihres Arbeitgebers endete, so empfanden rückblickend sowohl Arbeitgeber und Klientin die Unterstützung von aussen in dieser Konfliktsituation als sehr hilfreich. Ausschlaggebend für den letztlich guten Verlauf war für die Klientin, dass sie für sich einen gangbaren Weg aus der belastenden Situation fand und dabei ihr Gesicht wahren konnte. Für den Arbeitgeber konnte mit der Hilfe von „aussen“ ein Prozess wieder in Gang gesetzt werden, der sonst für unbestimmte weitere Dauer gestockt hätte oder dann aber den Arbeitgeber letztlich zu „härteren“ Massnahmen gezwungen hätte, was dieser unbedingt vermeiden wollte.

Die Case Managerin musste in diesem Fall situationsbedingt verschiedenen Rollen einnehmen. Selbstverständlich gibt es Fälle, wo die Rollen der Mediatorin und der Case Managerin zwingend getrennt werden müssen.

Beim beschriebenen Rollenwechsel war es unabdingbar, dass für die Beteiligten die jeweilige Rolle der Case Managerin transparent war. Dies bedingt, dass die Case Managerin sich ihrer jeweiligen Rolle bewusst ist und diese auch transparent macht, indem sie Möglichkeiten und Grenzen ihres Tuns klar kommuniziert.