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Fehlzeitenmanagement – eine strategische HR-Aufgabe

Was tun, wenn Mitarbeitende wegen Gesundheitsproblemen ausfallen? Sollen heikle Themen wie Rückenschmerzen, psychische Probleme oder Belastungen in Gesprächen mit Mitarbeitenden thematisiert werden? Was sind die Rollen von Führungskräften, Mitarbeitenden und HR-Personen?

Der nachfolgende Artikel ist im Buch «personalSCHWEIZ – Das Buch für die Schweizer Personalpraxis» erschienen (WEKA Business Media AG, 1. Auflage 2019).

Gesunde, leistungsfähige und motivierte Mitarbeitende sind die Basis für den Betriebserfolg. Die zunehmend hohen Anforderungen bei der Arbeit resultieren auf Seiten der Mitarbeiten jedoch oft als Beschwerden bzw. als Fehlzeiten mit entsprechenden Kostenfolgen für den Betrieb.

Fehlzeitenquoten sind je nach Branche sehr unterschiedlich

Fehlzeiten, also gesundheitsbedingte Arbeitsausfälle, machen gemäss der AVOL-Befragung im Jahr 2015 pro Vollzeitäquivalent etwa 6.4 Tage/Jahr aus (Fehlzeitenquote 2.9 %). Dieser Wert variiert je nach Branche stark (Information und Kommunikation 2.1 %, Gesundheits- und Sozialwesen 3.7 %). Die Ausfallgründe werden in der Schweiz nicht systematisch erfasst. Ein Hinweis dazu gibt der Gesundheitsreport 2015 der Techniker Krankenkasse Deutschland.

Anteile der wichtigsten Diagnosegruppen an den Ausfalltagen:

  • Erkrankungen Muskel-Skelett-System 20%
  • Psychische und Verhaltensstörungen 18%
  • Erkrankungen Atemsystem 14%
  • Verletzungen 11%

Präsentismus

Gesundheitliche Einschränkungen wie Rückenschmerzen oder psychische Probleme führen nicht immer zu Fehlzeiten. Die Betroffenen gehen teilweise krank zur Arbeit und arbeiten dann mit reduzierter Leistung. Hier spricht man von Präsentismus bzw. der Anwesenheit am Arbeitsplatz bei beeinträchtigter Gesundheit mit der Folge negativer Auswirkung auf den Genesungsprozess. In der Schweiz gaben in einer Untersuchung 47 % der Erwerbstätigen an, in den letzten zwölf Monaten trotz Krankheit gearbeitet zu haben.

Hintergründe von Fehlzeiten und Präsentismus

Laut der aktuellen Schweizerischen Gesundheitsbefragung sind Beschwerden weit verbreitet. Gut 10 % sind der Meinung, dass sich die Arbeitsbelastungen negativ auf ihre Gesundheit auswirken.

Am häufigsten genannte Beschwerden (Anteil 29 – 40 %) sind:

  • Allgemeine Schwäche, Müdigkeit, Energielosigkeit
  • Rücken-, Nacken- sowie Schulterschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Einschlaf- oder Durchschlafstörungen

Kosten

Nebst dem persönlichen Leid resultieren erhebliche betrieblichen Kosten. Diese werden unterschieden in direkte Kosten (z.B. Lohnfortzahlungen, höhere Versicherungsprämien, Kosten für zusätzliches Personal) sowie indirekte Kosten (z.B. Umstellungen von Arbeitsplänen, Übernahme von Arbeiten durch Teammitglieder, Qualitätseinbussen).

Die betrieblichen Kosten durch Fehlzeiten wurden durch die EKAS konservativ pro Ausfalltag auf CHF 600 geschätzt, wobei von zusätzlichen indirekten Kosten in mindestens der gleichen Höhe auszugehen ist. Die Kosten infolge von Präsentismus wurden in Deutschland mit ca. € 2‘500 pro Mitarbeitendem berechnet.

Fehlzeitenmanagement als systematischer Ansatz

Um diese Thematiken anzugehen, lohnt sich in grösseren Betrieben die Einführung eines Fehlzeitenmanagements (FZM) als strukturierten Prozess mit den folgenden Komponenten:

  • Systematische Datenerfassung von Fehlzeiten und regelmässiges Controlling
  • Rückkehrgespräche nach jeder Abwesenheit inkl. Dokumentation; unter dem Aspekt tieferer Produktivität und angeschlagener Gesundheit werden auch Auffälligkeiten angesprochen (Präsentismus).
  • Interne oder externe Hilfestellungen zur Lösung von schwierigen Situationen (z.B. ärztliche Zweitmeinung, Case Management).

Fehlzeiten-Controlling

Ein Fehlzeiten-Controlling bildet die Basis für das FZM. Zahlen können grafisch dargestellt werden und bieten ein einfaches Mittel, Sachverhalte aufzuzeigen und die quantitative Zielerreichung des FZM zu überprüfen.

Bei der Kommunikation zu Fehlzeiten im Betrieb gilt dem Datenschutz besonderes Augenmerk. Informationen zum Gesundheitszustand eines Mitarbeitenden gehören zu den besonders schützenswerten Personendaten. Ebenfalls zum Controlling gehört die Prüfung Umsetzungsstand der Gespräche sowie eine qualitative Analyse der Gesprächsprotokolle, zum Beispiel bezüglich häufiger Belastungen.

FZM – Prozess und Rückkehrgespräche

Mittels eines klaren und verbindlichen Prozesses wird die Fairness gewährleistet und damit auch die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden. Zur Übersicht dient als Beispiel die nachfolgende Grafik.

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Im Zentrum stehen dabei die sogenannten Rückkehrgespräche, die auf wertschätzende Art geführt werden sollen. Weiter ist das Recht der Mitarbeitenden auf Auskunftsverweigerung zu bestimmten Fragen (z.B. medizinische Diagnosen) zu respektieren. Je nach Situation sind diese Gespräche mehr oder weniger ausführlich: steht bei einem erstmaligen Ausfall von z.B. 2 Tagen die Motivation im Vordergrund, so liegt der Schwerpunkt bei häufigen oder längeren Ausfällen bei der Ursachenforschung und Lösungsfindung. Probleme können somit frühzeitig erkannt und geeignete Massnahmen (z.B. befristete Anpassungen der Arbeitsanforderungen, ein Case Management) eingeleitet werden.

Kriterien für einen nachhaltigen Erfolg

Für einen nachhaltigen Erfolg sind die folgenden Kriterien relevant:

  • Commitment durch die Geschäftsleitung mit regelmässiger Thematisierung des FZM auf Vorgesetzten- und Mitarbeiterebene.
  • Grundanliegen und Wertehaltungen sind definiert.
  • Klar definierte Rollen und Prozesse inkl. transparente Kommunikation.
  • Commitment durch die Führungskräfte, die Rückkehrgespräche als Teil ihrer Führungsaufgabe umzusetzen.
  • Befähigung aller Führungsebenen, ihre Rollen wahrzunehmen.
  • Bereitstellung genügender Ressourcen für das HR, damit dessen Steuerungs-, Überwachungs-, Reporting- sowie Unterstützungsaufgaben (Linie und Mitarbeitende) wahrgenommen werden können.
  • Regelmässige Überprüfung der Ziele, der Zweckmässigkeit des Prozesses und der Kriterien für die Gespräche.
  • In grösseren Betrieben Verankerung des FZM im Rahmen des BGM.


Hansjörg Huwiler ist Leiter des Teams Corporate Health bei AEH und leitet Projekte zu BGM, FZM und Ergonomie. Ergänzend ist er im Auftrag von Gesundheitsförderung Schweiz als Assessor Friendly Work Space® tätig.

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